Meine Kleider und Schuhe geben langsam den Geist auf. Hannes nennt das "industrielle Nutzung". Feierlich entsorge ich meine dreckigen, abgelatschten stinkenden Birkenstock. Schade, die waren echt schön und bequem.
Weiter Richtung Panama, die Carretera ist leider unausweichlich. Dafür lässt sich am Wegesrand so einiges mitnehmen. Ich schwelge hier in der momentanen Früchtefülle, alles ist reif und lecker. Hier werden mir die Bananen direkt auf dem Rad serviert.
Auf der Strecke sitzt am Strassenrand ein Radfahrer und flickt sein Hinterrad. Ich halte an und frage ihn ob er etwas braucht. Der Senor in etwa meinem Alter freut sich sehr das ich angehalten habe und überschüttet mich mit Komplimenten. Wir reden ein bisschen, das Übliche, woher ich komme und wie schwer mein Rad ist. Zum Abschied winkt er mir hinterher und ruft durch seine vielen Zahnlücken "te amo!"
In Rio Claro, 30 km vor der Grenze zu Panama, gehe ich mal wieder in ein Hotel. Und dann kommt mein letzter Tag in Costa Rica.
An der Grenze. Der Beamte von Panama will mein Rückflugticket sehen, aber das Rad zählt mal wieder als Ausreisegarantie.
Da die Strecke durch Panama hauptsächlich auf der PanAmerikana möglich ist und der Verkehr hoch, massenweise LKW's zum Kanal unterwegs sind, und das alles nicht so interessant zum Radeln ist, habe ich schon vor einer Weile beschlossen das Land großteils mit dem Bus zu durchqueren. Ich komme mittags an der Grenze an, der nächste Bus in dem ich mein Rad mitnehmen kann fährt um 22 Uhr (neue Zeitzone). Also warten, und durch die Grenzstadt treiben. Und dann wird mein Rad in den Bus geladen, ich muss die Räder ausbauen und alle Taschen abladen. Die Fahrt ist nicht wirklich erholsam, Schlaf finde ich nur wenig. Um 6 Uhr morgens bin ich in Panama Stadt. Weil ich Hunger habe fahre ich ein bisschen durch die Gegend und lande an diesem Restaurant. Die Polizei passt hier gut auf. Bewaffnete mit entsichertem MG gehören in Panama wieder zum Bild.
Polizeistation, die Beamten ernten gerade Mangos.
Der Kanal, schon ein ganzes Stück hinter der Stadt.
Ich finde ein Stück einsame Strasse an einem Stausee entlang.
Am Morgen wird bei den Bomberos die Ausrüstung gesäubert und gecheckt.
Ich habe meine letzten Kilometer durch Zentralamerika vor mir. Wochenendgeschäftigkeit in Sabanitas.
Und dann komme ich an's karibische Meer.
Das letzte Stück nach Puerto Lindo. Stellt euch eine Landschaft mit einigen kleinen steilen Hügeln vor. Immer genau über einen der Hügel geht die Strasse.
In Puerto Lindo leiste ich mir ein Zimmer in einem Hostel, lese, hänge ab, sortiere meine Sachen, wasche meinen Schlafsack und meine Kleider und repariere mein Zelt.
Durch Mittelamerika bin ich ganz schön durchgerauscht. Seit meiner Abreise vor fast einem Jahr bin ich jetzt über 15.000 km geradelt, habe dabei ca. 170.000 Hm gemacht. In Guatemala hätte ich noch länger bleiben können, mein Lieblingsland in Zentralamerika mit seinen hohen Vulkanen und den absolut freundlichen und neugierigen Menschen. Und auch Nicaragua habe ich eigentlich viel zu schnell durchquert. Alles Gründe wieder zu kommen!?
Eine Freundin hat mich gefragt ob meine Wahrnehmung sich geändert hat und wie ich mit den kurzfristigen Kontakten zu Menschen umgehe. Jetzt bin ich fast ein Jahr unterwegs, und vom Vertrauten immer weiter in Länder gereist die für mich neu sind. Was an dieser Art zu reisen das Normale geworden ist: ich lebe so im Moment das sich jeder Tag und jede Situation unendlich anfühlt. Das Exotische ist zur Normalität geworden. Und die Suche des Auges nach Gewohntem hat aufgehört. Anfangs habe ich noch die Bilder von meiner Umgebung zuhause im Kopf gehabt und beim Durchqueren von Ortschaften z.b. nach Vertrautem gesucht. Das ist total abgeschaltet im Kopf, ich bin mit dem ständig Neuen so vertraut geworden und lasse meine Bilder-Festplatte im Gehirn täglich neu beschreiben. Was die Kurzfristigkeit von Kontakten angeht: ich fühle mich manchmal wie ein Kolibri der an inspirierendem Nektar nippt. Beziehungen sind das nicht, aber herzberührender Wärmeaustausch oder bei negativem Kontakt ein Kratzen an der Seele das Wut oder Traurigkeit auslöst. Alles führt mich immer wieder zurück zu mir selbst und zu dem wie ich gelernt habe damit umzugehen. Nicht immer optimal und erquicklich. Aber ich habe ja viel Zeit darüber nachzudenken und hineinzufühlen. Und die Begegnungen die ich oft herausfordere sind zu meinem Elixier auf der Reise geworden. Das Reisen mit dem Fahrrad macht mich zu einem sehr verletzlichen Menschen und diese Ausgesetztheit ist meine tägliche Herausforderung. Ich bin manchmal selbst ganz erstaunt wie ich jeden Tag neu erlebe und so gut überlebe. Auch wenn mir manchmal zum Heulen ist oder ich vor Schreck oder Wut brülle freue ich mich das ich die Chance habe all das zu erfahren und die Zeit darüber nachzudenken. Die überwiegend berührenden Begegnungen mit freundlichen Menschen lassen mein Herz singen.
Am Montag werde ich in an Bord eines Segelbootes gehen und über die San Blas Inseln nach Columbien segeln. In der Bucht liegen mindestens 4 gesunkene Yachten, von zweien sieht man nur noch die Masten. Ich hoffe mein Boot wird es bis Cartagena schaffen... Hier kommt die Piratenbraut der Karibik! Wir sehen uns in Südamerika.