Donnerstag, 30. Juni 2022

letzte Nacht und letzter Tag in Canada

mein letzter Zeltplatz in Canada, auf Walpole Island, ein Gebiet das den First Nation People gehört


direkt am Fluss gelegen, bin ich mir nicht sicher, ob es ein privates Grundstück ist. Also gehe ich auf die Menschen um die Ecke zu und frage ob es okay ist wenn ich dort mein Zelt aufstelle. Die angesproche Frau hat nichts dagegen. Nach einem kurzen Bad im erfrischenden Fluss und einer leckeren Gemüsesuppe von meinem Kocher verkrieche ich mich schnellstens in's Zelt, die Mücken-Attacke ist gigantisch...  Sonnenuntergang


Mitten in der Nacht kommen die Bewohner des Grundstücks von ihrem Ausflug zurück und fahren vorbei, und dann kommt noch ein zweites Auto was mir lange in's Zelt leuchtet. Ich denke mir nichts dabei, ich habe ja um Erlaubnis gefragt. Schlafe wieder ein. Um 2 Uhr morgens weckt mich eine Taschenlampe und eine männliche Stimme: you are trespassing, you have to get off this property! ich frage wer da ist? it's the police, get off! aber ich habe doch um Erlaubnis gefragt! nein haben Sie nicht, die Besitzer haben mich angerufen, you want to go to jail? (wtf??) ich krieche aus dem Zelt, die Mücken lauern schon und warten auf Zutritt, und ich werde um meine ID gebeten. Ich erkläre nochmal dass ich die Besitzerin gefragt habe, und dass es bestimmt 1 Stunde dauert bis ich mein Zelt und die taunassen Sachen eingepackt habe. Nach einem Telefonat und einer Ewigkeit kommt der Officer zurück und sagt, ich könne die Nacht bleiben aber müsse morgens sofort verschwinden. Und überhaupt, ob ich wüsste wo ich bin, und hier ist es für Frauen total gefährlich. Nach dem Schreck dauert es eine Weile bis ich wieder schlafen kann.
Am nächsten Morgen packe ich mein patschnasses Zelt ein und haue ganz schnell ab.
Strassenschild in Native Language

Der nächste öffentliche Spielplatz mit schattiger Parkbank ist meiner, gut zum Zelt trocknen und frühstücken. Und jetzt verstehe ich auch warum ich irritiert war als ich auf die Insel kam. normalerweise wäre auf diesem Platz ein blitzblankes Klettergerüst und ein akkurat gemähter Rasen, hier ist alles verwahrlost und zugemüllt, im Kies liegt ein schweres Werkzeug. 

Die Menschen hier sind offensichtlich vergessen worden und stigmatisiert. Das erklärt sich als nächstes, als ich in einem Fish and Chips Restaurant auf die einmal täglich verkehrende Fähre in die US warte. Dort unterhalte ich mich mit Evelyn, der Mutter der Besitzerin, die ich nach der Geschichte der Insel frage. Sie erzählt mir dass einige Tage vorher auf der Insel 3 Menschen von Rasern überfahren wurden und tödlich verunglückt sind. Und als ich ihr von meiner nächtlichen Begegnung erzähle, bemerkt sie, das die Polizei ja offensichtlich doch ihren Job mache, was sie im Falle der Raser wohl nicht so gewissenhaft getan hat. Als nächstes kommt Moose mit seinem Schneemobil, bestellt eine Portion Fisch, und während des Wartens redet er ohne Unterlass und antwortet auf meine Fragen in einer Art rhytmischem Singsang, mit sich auf und ab bewegenden Händen, in einem Slang der für mich schwer zu verstehen ist. Ich bin total fasziniert und kann garnicht anders als ihm die ganze Zeit zuzusehen. "I cut 'em drumsticks with my sharp knife and make necklaces, beautiful necklaces, and chopp 'em and the knife goes through smoothly..." Ich frage ob ich ein Foto von ihm machen darf? Als er sein Essen erhält, fragt er mich nach meinem Namen und verabschiedet sich von mir: "My name is Moose, 65 years old and still rocking!" 

Als es Zeit wird für mich zur Fähre zu gehen, verabschiede ich mich, nicht ohne den Segen von Evelyn, "I am a priest, you know?!"



mit der Fähre über den Fluss geht's in die US, Zeitsprung in's Jahr 1930, frauenrechtlich gesehen...


in Detroit wartet eine Warmshowers Gastgeberin auf mich, es ist schon 3 Uhr nachmittags und 45 Meilen bis zum Ziel, ich will vor der Dunkelheit da sein. Was für ein Ritt, in den US haben die Autofahrer noch weniger Bock auf Radler als in Canada. Und ja, jetzt läuft für mich die Uhr, am 25. September muss ich die USA verlassen, bis dahin ist das Visum gültig. 

Mittwoch, 29. Juni 2022

Lake Erie

 Warmshowers Host Jamie

und ich mit dem Red Winged Hawk, beeindruckend, so ein Raubtier so nahe bei mir, diese Augen sind Respekt einflössend

Thank you Heather and Jamie for hosting me and for the fun night at your neighbours with bbq, great stories, laughter and playing corner game. Thank you for your outstanding hospitality! And thank you Paulina and Jacky for inviting me to your dinner party!

und weiter geht's, entlang des Lake Ontario



dieser Schlafplatz war direkt an der Steilküste, ein Schaukelstuhl für die abendlichen Vogel-Beobachter oder Mondsüchtigen. Leider auch Samstag Nacht ein Platz für Auto-Ausflüge von lärmenden Jugendlichen...: "oh, da ist ein Zelt, da sind Leute, ein Fahrrad!" still verharre ich in meinem Schlafsack, bitte haut ab! und glücklicherweise bin ich bald wieder allein, werde in Ruhe gelassen. Und so sieht der Himmel ganz früh morgens aus

 
guten Morgen!

ein Tag mit heftigem Gegenwind, langer gerader Strasse, und die Beine haben mächtig was zu tun



auch der nächste Tag ist extrem windig. Es ist auch verhext: sobald ich die Himmelsrichtung wechsle, tut der Wind das auch. Immer von vorne, die Kilometer sind hart erarbeitet.




Gravel Road, wenig Verkehr, aber sobald ein Auto überholt oder entgegen kommt, schlucke ich Staub. 
St. Clair River, ich nähere mich der Fähre in die US



Freitag, 24. Juni 2022

Niagara Fälle

einen Tag durch Toronto stromern

eine weitere Nacht bei Kristin, Fahrrad und Klettern ist hier Freizeitbeschäftigung und in der kleinsten Wohnung haben 5 Fahrräder Platz, meins ist die No.6

Thank you Kristin for the relaxed and easy stay at your appartment, the fun conversation and the good laugh! and thank you for introducing me to your funny bird Sacha. Hope to see you in the Alps!



weiter geht's in Richtung Niagara Falls, vorher muss ich aber noch in der Stadt zum Mobiltelefon-Anbieter. Der ist in einem riesigen Einkaufszentrum, und was mache ich mit meinem Fahrrad? immer ein Problem beim Einkaufen, das Gepäck kann ich nicht mitnehmen und das Rad auch nicht, also schliesse ich meinen Lastesel an und gehe in das Gebäude. Eine halben Stunde später komme ich zurück, und als ich das Rad aufschliesse, kommt ein Mann auf mich zu und sagt, er habe für mich mein Rad bewacht, gefährliche Gegend hier, und ob ich Geld brauche? Ich bedanke mich aufrichtig bei ihm, wir unterhalten uns über Fahrradtouren, was habe ich doch für ein Glück! 

noch eine Nacht am Ontario See

guten Morgen!

 


die Niagara Fälle sind total vermarktet, trotzdem bin ich von der Energie des Wassers extrem beeindruckt, will garnicht mehr weg von diesem Platz





und ca. 5km weiter finde ich einen Schlafplatz am Fluss, das Tosen des Wassers ist bis hierher hörbar


vom Niagara Fluss an den Lake Erie, zum ersten Mal sehe ich einen Kojoten, so klein habe ich mir die nicht vorgestellt (leider fotoscheu)


und beim Radfahren werde ich von einer brütenden Amsel attackiert, red winged blackbird, kanadische Amsel, flappt mir von hinten an den Helm, wild gestikulierend fahre ich weiter


und heute Nacht nabe ich wieder eine Warmshowers-Bleibe bei Jamie und Heather, eine ganze Hütte für mich allein!


Sonntag, 19. Juni 2022

auf dem Weg nach Toronto, und warum kommt der Wind eigentlich immer von vorne?

auf meinem weiteren Weg nach Toronto sehe ich kurz vor der Stadt Cobourg eine tiefschwarze Wetterfront die sich in meine Richtung bewegt. Jetzt heisst es Gummi geben, da will ich nicht reingeraten, das Grummeln des Donners ist auch schon zu hören. Kurz bevor die ersten Tropfen fallen erreiche ich einen öffentlichen Park in der Stadt mit einem Klohäuschen. Perfekt zum Unterstellen. Ein paar Tropfen fallen, das Gewitter scheint weiter nördlich vorbeizuziehen, der Himmel zeigt schon wieder ein bisschen blau, und auf dem Tennisplatz nebenan schrubbt ein Paar seelenruhig den Platz. Da ertönt ein Alarm auf meinem kanadischen Telefon, Tornadowarnung! Die Hausbewohnerin auf der anderen Strassenseite ruft zu mir rüber, im Ernstfall soll ich mich in's Klo begeben, da werde ich natürlich dann auch mein Rad mit rein nehmen. Das Paar vom Tennisplatz kommt auch zum Häuschen, sie haben in einem extra Raum ihre Geräte gelagert. 2 Stühle werden rausgestellt, wir kommen in's Gespräch. Der Himmel wird wieder dunkel, dickere Tropfen fallen. Und dann laden die beiden, Cheryl und Shaun, mich zu sich nach hause ein, Abendessen mit Paella, eine Dusche, ein Bett für die Nacht. Nach kurzer Überlegung nehme ich dankend an. Im strömenden Regen radeln Shaun und ich zum Haus, und was folgt ist einfach nur schön: Ich werde aufgenommen wie ein Familienmitglied, persönliche Gespräche, ganz viel Herzlichkeit. Bald kommt die Sonne wieder raus, der Tornado ist nicht hier durchgefegt. Für 2 Stunden sind Cheryl und Shaun noch auf dem Tennisplatz, und als sie zurückkommen ist ein Teil ihres Clubs dabei, wir trinken Bier auf der Terrasse und Joan/Jantje erzählt mir die Geschichte ihrer holländischen Großmutter, die im WW2 auf der anderen Flußseite einkaufen ging und, nachdem die Nazis die Brücke weggebombt hatten, nicht zurück konnte, während ihre Eltern jahrelang nicht wussten wo sie ist und ob sie überhaupt noch lebt. 

Here's to Cheryl and Shaun: Thank you for inviting me to your house and being so warmly welcomed and getting introduced to your Tennisclub and your lovely neighbour Dev. You made my day!

am nächsten Morgen geht's weiter Richtung Toronto, es ist extrem windig. 


der Wind fährt hoch, Böen von 70km/h! in der Ebene brauche ich das kleine Kettenblatt, denn natürlich kommt der Wind von vorne... da sind mir Berge doch lieber.

noch eine Nacht am Ontariosee, in der Ferne ist Toronto schon zu sehen.

letzte Etappe nach Toronto


und angekommen


gute Nacht! bei Kristin, Warmshowers Gastgeberin, und ihren beiden Vögelchen

guten Morgen!


Freitag, 17. Juni 2022

ein langer Tag mit gutem Ende


 der Strom öffnet sich zum Ontario See, hier ein Haus in Kingston


ich komme durch Prince Edwards County, und als es Zeit wird einen Zeltplatz zu suchen, finde ich nur Camping-Verbotsschilder oder Dauer-Campingplätze die mich mit Zelt nicht aufnehmen. Ich bin schon fast am Weinen vor Verzweiflung, überall Private Property, No Trespassing, Keep Out, und es wird dunkel. Die Mücken sind auch schon wieder da, und stehenbleiben heisst Mücken-Attacke. Ich bin 125km geradelt bis jetzt, will in's Wasser hüpfen, Katzenwäsche machen oder duschen, was essen und schlafen. Ich denke mir, okay, jetzt musst du einfach darauf vertrauen, dass etwas Gutes passiert, montiere die Lichter am Rad, damit mich kein Auto überbügelt, und radle weiter. Ich bin im Flow, ausserdem habe ich ausnahmsweise mal Rückenwind.


der nächste Campingplatz ist bei km 145, hier auch wieder nur Dauercamper mit feststehenden Hütten, die Rezeption schon geschlossen. Ich schiebe mich an der geschlossenen Schranke vorbei, frage bei einer Gruppe von Campern, ob sie meinen dass ich mein Zelt hier aufstellen kann. Die Antwort ist, gehe mal zur Hintertür der Rezeption, da ist bestimmt jemand. Und tatsächlich, der Besitzer sitzt in seiner Küche  beim Abendessen, antwortet mir mit hörbarem Akzent, klar bau dein Zelt auf wo du willst, willst du duschen, hier ist ein 1$, den brauchst du, was brauchst du noch? ein kaltes Bier, Powerriegel, alles kriege ich aus der Speisekammer gebracht. Jurek ist mein Retter, vor 40 Jahren mit seiner Frau von Polen hierher gekommen und hat vor ein paar Jahren den Campingplatz gekauft. Ich baue endlich kurz vor der Dunkelheit mein Zelt auf, geniesse die Dusche, und nachts wieder den Chor der Bullfroggs.


am nächsten Morgen kommt Jurek wieder vorbei, wir unterhalten uns, seine Frau lerne ich auch kurz kennen, und ohne Wasserflaschen und einem Ginger Beer darf ich nicht den Platz verlassen.