Donnerstag, 28. Dezember 2023

Weihnachten und Torres del Paine

Am 23. Dezember liege ich den ganzen Nachmittag im Bett in meinem schicken Hotel in Cerro Castillo. Mir ist schlecht, ich habe Kopfweh und Durchfall. War alles ein bisschen viel und der Körper schreit nach Erholung. Am Abend geht es mir besser und Giovanni fragt ob wir zusammen essen sollen im Hotel. Es gibt ein Buffet und beim zweiten Gang eröffnet er mir das heute sein Geburtstag ist. Er ist genau 10 Jahre jünger als ich. Wir verbringen einen schönen Abend zusammen mit persönlichen Gesprächen und ich bin eingeladen in sein Haus in der Nähe von Venedig. 

Am nächsten Morgen stelle ich mich mit meinem Fahrrad an die örtliche Bushaltestelle und werde tatsächlich mitgenommen. Der Bus ist fast leer mit 8 Personen und ich fahre frei, der Fahrer will partout kein Geld von mir. Aus dem Busfenster erhasche ich einen fernen Blick auf Torres del Paine.

In Puerto Natales stelle ich mein Zelt am Campingplatz auf. Für den Abend ist ein gemeinsames Weihnachtsdinner organisiert. Jeder bringt etwas mit für die Tortillas und wir sitzen alle bis spät zusammen und unterhalten uns in allen möglichen Sprachen. Hannah hat sogar Vanillekipferl gebacken und zusammen mit Johannes, ihrem Freund, machen sie Klösse und Rotkohl. 




Die ganze Nacht rüttelt der Wind am Zelt. Am nächsten Morgen ist es noch stürmischer als am Tag davor, an Radfahren ist nicht zu denken. 


Ich bin die meiste Zeit auf dem Zeltplatz und mache einen Spaziergang am Wasser. Mein Körper schreit nach Ausruhen und ganz viel Grünzeug und gesundem Essen, ...und einem Glas Wein. ; )








Am nächsten Tag bringe ich mein Fahrrad nochmal in die Werkstatt, ich kriege das Hinterrad leider nicht zentriert. Für den Nationalpark ist es jetzt auch zu spät, also weiter ausruhen. Ich bin garnicht so betrübt darüber... 

Und am Abend stösst Giovanni zu mir auf dem Campingplatz. Der nächste Tag ist dann endlich reserviert für die Torres del Paine. Ich stelle mich an die Strasse und trampe. Zwei Bauarbeiter nehmen mich in ihrem kleinen Transporter ein Stück mit, und dann werde ich von zwei Brüdern mitgenommen, Victor und Roberto, die zum Lago Grey fahren zum Angeln und über Nacht zelten. Es wird eine lustige Fahrt. Wir halten an einigen Aussichtspunkten und machen natürlich Fotos.




In zwei weitere Autos steige ich noch, dann bin ich am Lago Pehoe. Hier habe ich einen super Blick auf die Torres del Paine. Ich laufe hoch zum Mirador Cóndor und muss total langsam und bedächtig laufen damit der Wind mich nicht wegbläst. Die Flora ist faszinierend, wilde Wicken überall und Orchideen.








Nach meiner windigen Wanderung sitze ich noch lange am See und schaue auf dieses faszinierende Bergmassiv was mich total in Bann zieht. Dann mache ich mich auf den Rückweg. Ich laufe ein Stück und werde letzendlich von einem leeren Touristen-Shuttle bis Puerto Natales mitgenommen. 

Als ich mein Fahrrad abhole erlebe ich eine üble Überraschung: der Mechaniker wusste nicht wie er meinen Hinterreifen abbekommt und hat Öl benutzt für die De/Montage. Mein Fahrrad ist komplett verölt, die Felge, der Reifen, Sattel, Rahmen... wenigstens hat er die Bremsscheiben ausgelassen! Und leider hat das Rad noch immer einen leichten Schlag. Ich suche einen anderen Fahrradladen und hoffe das hier endlich mein Laufrad richtig zentriert wird. Das heisst ein weiterer Tag Pause, aber der Wind ist sowieso noch zu stark und es regnet nicht wenig.

Samstag, 23. Dezember 2023

nach El Calafate und zurück in Chile

Auf meinem Weg von El Chalten nach El Calafate komme ich langsam wieder in die weiten kargen Ebenen der argentinischen Steppe. Noch lange ist der Fitz Roy und Cerro Torre zu sehen. Der Wind bläst von hinten, ich komme gut voran. Bis zum Abzweig, dann ist die Geschwindigkeit plötzlich gedrosselt weil der Wind wieder seitlich von vorne kommt. Die Nacht verbringe ich am Rio La Leona in einem verlassenenen Haus das mir Windschutz bietet. 






In El Calafate stelle ich mein Zelt auf einem Campingplatz auf. Am nächsten Tag ist mein Geburtstag! 58 Jahre bin ich jetzt, und so dankbar das ich diese Reise machen kann. Danke an mein Leben. Die Nachbarn aus Brasilien bringen mir einen  besonders leckeren Café und wir teilen uns den Geburtstagskuchen. Die anderen Nachbarn aus Hamburg laden mich zu Café und Franzbrötchen ein, und ich verbringe den Tag am Platz, mache Fahrradpflege, wasche Wäsche und freue mich über alle Nachrichten und Anrufe von Freunden und Familie.


Am nächsten Tag buche ich eine Bustour zum Perito Moreno Gletscher. Es ist beeindruckend, der Gletscher kalbt in den Lago Argentina und immer wieder brechen große Stücke in den See, begleitet von Geräuschen wie ein Schuss oder lautes Getöse. Ich verbringe ein paar Stunden am Aussichtspunkt und bewundere das Naturspektakel.




Mein Hinterrad war beim Zentrieren, die neu eingebaute Nabe hat sich einfach nochmal gesetzt und ich habe es leider selber nicht hinbekommen. Am Mittwoch treffe ich mich nochmal mit Martina und David deren Reise hier endet. Nach längerem Überlegen habe ich mich entschlossen die beiden zu fragen ob sie mir eines ihrer Zelte verkaufen. Ich kann nur allen raten die auf so eine lange Reise gehen nicht mit einem Leicht-Zelt loszufahren. Ich habe Sorge das mir das Zelt bei Wind zerfetzt, die Wasserdichtigkeit ist leider nicht mehr gegeben, und der Reissverschluss am Aussenzelt geht nicht mehr ganz zu. Ich habe ein Zelt aus dem Jahr 2018 und leider ist dafür kein neues Aussenzelt zu bekommen. Für eine Firma die Nachhaltigkeit auf ihre Fahnen geschrieben hat für mich etwas fragwürdig. Glücklicherweise verkauft mir David sein Zelt. Meine wochenlange Sorge über die letzte windige und wetterunbeständige Etappe ist damit vom Tisch, allerdings habe ich jetzt auch ca. 1kg mehr Zeltgewicht. Am nächsten Morgen fahre ich weiter. Nach gut 30km komme ich endlich in den Genuss des lang ersehnten Rückenwindes und es bläst mich fast wie von selbst den Anstieg hoch. Hier in der weiten Ebene auf argentinischer Seite siehst du kilometerweit wie es weitergeht. Überall grasen Guanacos, leider liegen viele auch tot am Strassenrand oder hängen im Zaun. 



Ich biege ab auf die 70km Piste die  eine Abkürzung zur asphaltierten Strasse ist. Das  reparierte Hinterrad hat leider wieder eine Unwucht. Nach 20km auf der Strecke ist eine aufgegebene Polizeistation die von Radreisenden als Unterkunft genutzt wird. Giovanni aus Italien ist schon da. Er hat schon geschlafen, und ausser Namen austauschen und dem üblichen "woher?" reden wir kaum. Direkt neben dem Haus fliesst ein Bach zum Wasser nachfüllen, ich wasche mir den Staub der Strasse ab.





Am nächsten Morgen ist Giovanni schon weg als ich aufwache. Der Wind ist beim Aufbrechen gegen mich und wächst sich bald wieder in unerbittliche Ausmasse aus. Seitliche Böen bis zu 70km/h wehen mich um, die Nase läuft ständig, die Augen tränen vom Staub. Ich habe schwer zu kämpfen und mental gerade nicht viel Kraft, ich bin ziemlich am Ende. 


10km bevor es auf die asphaltierte Strasse geht hält ein Wohnmobil neben mir. Ich frage den Fahrer auf spanisch ob er mich mitnehmen kann und bekomme eine Antwort auf französisch. Sébastien aus dem Wallis lädt mein Rad in seinen Ford Transit und nimmt mich bis zum Abzweig zur chilenischen Grenze mit. 6km "ripio" (= südamerikanisch für Piste) geht es nochmal weiter und dann bin ich an der Grenzstation. Ich frage die Dame hinter dem Schalter ob sie einen Platz weiss wo ich geschützt zelten kann und sie erlaubt mir mein Zelt hinter einem Container aufzubauen. Selbst hier ist es noch sehr windig und der Aufbau ist mit Bedacht damit mir nichts wegfliegt. Ich esse kalt, kochen ist mir zu viel bei dem Wind, und verkrieche mich frühzeitig in mein neues Zelt. 

Ich bin gerade am Einschlafen, da werde ich wieder geweckt. Draussen steht ein Gendarm und sagt mir ich müsse hier weg mit meinem Zelt, ich störe die Bewohnerinnen des Containers. Ich argumentiere und breche in Tränen aus. Ich bin so fertig und kaputt, ich will hier auf keinen Fall weg! Der Herr sagt er würde nochmal fragen und verschwindet. Es kommt ein anderer Mann und eine Gendarmin die garnichts sagt. Ich kann auch den Grund nicht ganz verstehen warum ich plötzlich weg soll, eigentlich verstehe ich nur das ich störe. Nach eindringlichem Bitten kann ich bleiben. Um 23 Uhr kommen nochmal ein paar Frauen an mein Zelt und wollen irgendwas von mir. Ich ignoriere sie und irgendwann lassen sie mich in Ruhe. Im Container vor meinem Zelt ist Lachen und Feiern zu hören bis spät in die Nacht. Am nächsten Morgen baue ich früh mein Zelt ab, der Wind bläst noch immer unerbittlich. Frühstücken tue ich an der Grenzstation, und als diese um 8 Uhr aufmacht bin ich bereit zur Ausreise aus Argentinien. Hinter dem Schalter sitzen 2 Frauen mit deutlicher Alkohol-Fahne. Unsere Kommunikation ist spärlich... Beschwerlich geht es für mich die 7km bis zur chilenischen Grenzstation, der Wind zwingt mich zwischendrin zum Schieben.



Nachdem ich die chilenische Bürokratie hinter mir habe nutze ich das bereitgestellte Internet für eine Recherche der Übernachtungsmöglichkeiten im Ort. Es gibt leider nur 3 teure Hotels. Giovanni kommt kurz nach mir an der Grenzstation an und wir gehen beide in das am wenigsten teure Hotel. Für die nächsten 4 Tage ist weiterhin heftiger Wind angesagt, meine Pläne durch den Torres del Paine NP zu fahren sind damit hinfällig. Schade.