Donnerstag, 2. November 2023

tough days

Das ganze Wochenende pustet der Wind und rüttelt am Haus. Zwischendrin lässt er mal ein bisschen nach, die Sonne kommt raus und ich denke, hätte ich doch weiter fahren sollen? Aber dann kommt wieder eine Phase mit heftigen Windböen und ich weiss das die Entscheidung Pause zu machen nur vernünftig ist. Am Samstag Abend fängt es dann auch noch an zu schütten, und ich freue mich über mein festes Luxus-Dach über dem Kopf. Und doch, am Sonntag ist für den ganzen Tag Regen vorausgesagt der erst gegen Abend kommt. Es bläst der Wind aus Nord mit "nur" 50km/h, und bis nachmittags scheint die Sonne. Ich hätte gut radeln können, wenn ich nicht so lange geschlafen hätte... Hättehätte... einmal entschieden, im Nachhinein weiss man immer alles besser. Dafür mache ich einen ausführlichen Spaziergang und lasse mir den Kopf freipusten. Am späten Nachmittag steht eine Katze maunzend vor meiner Tür. Als ich aufmache spaziert sie einfach herein, leckt meine Teller und Töpfe aus, springt auf meinen Schoss zum Kuscheln und legt sich dann auf den Sessel als wäre das schon immer ihr Platz gewesen...





Am nächsten Tag fahre ich endlich weiter. Und die Entscheidung zu pausieren war gut! Die Strasse ist kurvig, es geht viel bergauf, es hätte mich ganz schön Körner gekostet an einem extrem windigen Tag. Die Berge über 1800m sind frisch gezuckert, der Wind ist heute erträglich. Auf der Strecke treffe ich 2 argentinische Radreisende Richtung Norden, wie immer halten wir an um uns auszutauschen. 





In Chos Malal habe ich eine Warmshowers-Gastgeberin. Sabrina ist Musiklehrerin und lädt mich ein im Haus zu schlafen. Ihr Freund Emi(liano) macht gerade die Ausbildung zum Bergführer, ein Zimmer ist rappelvoll mit Ausrüstung. Ich koche Abendessen für uns alle, es wird ein interessanter Abend. Sabrina erzählt das es im Moment kein Benzin gibt weil die beiden Präsidentschaftskandidaten sich gegenseitig korrumpieren. Da schmiert der eine Kandidat Schlüsselpersonen damit das ganze Land kein Benzin hat nur um den derzeitigen Präsidenten schlecht dastehen zu lassen. Im Land gehen die Menschen schon überall auf die Strasse weil nach der Stichwahl Milei vorhat viele staatliche Einrichtungen zu privatisieren, u.a. auch die Schulen. 
Ich schlafe im Wohnzimmer mit 3 Hunden und 2 Katzen als Gesellschaft. 
Am nächsten Morgen komme ich früh los, 160km liegen vor mir bis zur nächsten grösseren Ortschaft. Es gibt Tage an denen es mir schwer fällt meine Moral aufrecht zu halten, da reichen kalte Füsse, Gegenwind mit endlosem Bergauf um mich zu demotivieren. Heute ist so ein Tag. Auch das ganze Weltgeschehen geht mir durch den Kopf und macht mich zutiefst traurig. Heute wäre so ein Tag an dem ich einfach nur in den Arm genommen werden will... 


Endlich geht es wieder bergab, die Weite der Landschaft ist faszinierend. 






Nach einem weiteren Anstieg komme ich an einen kleinen Ort mit einer frei zugänglichen Wasserstelle. In Argentinien kann man das Wasser aus dem Hahn bedenkenlos trinken, vor allem in den Bergen. Ich fülle meine Flaschen auf und folge einer kleinen Strasse um mir einen Platz für die Nacht zu suchen. Für die Nacht ist Regen angesagt. Ich koche mir mein Abendessen und bekomme Besuch bevor ich mich genau mit Einsetzen des Regens in mein Zelt verkrieche.


Die ganze Nacht regnet es, der Wind rüttelt an meinem Zelt und ich muss zwischendrin raus um die Leinen nachzuspannen. Leider wird der Zeltboden nass, die Schlafsäcke werden klamm. Ich habe immer wieder kalte Füsse und muss mit den Zehen wackeln damit sie wieder warm werden. Um 5 Uhr hat es aufgehört zu regnen. Ich freue mich schon und wundere mich über das leise knisternde Geräusch. Als ich genauer hinsehe realisiere ich was passiert ist: der Regen ist in Schnee übergegangen. 


Ich packe mein klatschnasses Zelt ein, setze mich auf's Rad und fahre zum geschützten Unterstand an der Strasse um ein schnelles kaltes Frühstück zu mir zu nehmen. Dann ziehe ich mich warm an und radle bergab. Es geht gut voran, schon male ich mir aus das ich in 4 Stunden in Las Lajas bin. Aber leider habe ich verdrängt das ab 9 Uhr in der Regel der Wind einsetzt, von vorne... Der Schnee geht in den tieferen Lagen in Regen über und trotz wasserdichten Handschuhen und Überschuhen werden meine Hände und Füsse nass. 4°C, Gegenwind, immer wieder bergauf und bergab, ich radle heute auf Autopilot. Zwischendrin kommen mir die Tränen weil es schier nicht enden will. 90km sind bei diesem Wetter eine echte Herausforderung. Und die entgegenkommenden Autos werfen ihr Spritzwasser noch in hohem Bogen auf mich. Irgendwann halte ich mal an weil der Körper Nahrung fordert, aber allzu lange darf ich nicht stehenbleiben sonst kühle ich aus. Eeendlich bin ich in Las Lajas, suche mir ein Appartment und dusche erstmal. Ich spanne eine Schnur durch's Zimmer und werfe die Heizung an. Dann muss ich alles aus den Taschen holen und zum Trocknen aufhängen. Im Ort finde ich eine nette Nachbarin die Wäsche für mich wäscht, ich kaufe ein bisschen ein, koche mir eine Suppe und Ingwertee. Bloss nicht krank werden! Früh gehe ich schlafen. Der Körper braucht Ruhe, ich muss Sachen sortieren, meine Isomatte verliert minimal Luft und ich muss endlich das Löchlein orten... Pause ist angesagt. 



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