Ich treffe mich mit Martin in Mendoza. Martin ist aus Tübingen, radelt von Ecuador nach Chile und verfolgt mich auf Instagram. Er muss zu seinem Flug nach Santiago, und das macht er ein Stückchen mit dem Bus. Weil er ein paar Stunden Aufenthalt in Mendoza hat lädt er mich zum Essen ein. Natürlich haben wir uns eine Menge zu erzählen.
Sonntag ist Muttertag, da kommt die ganze Familie zu Besuch und es gibt Asado, viel Fleisch vom Grill, Diskussionen über die anstehende Wahl und Familienangelegenheiten, Bier, Wein und Geschenke für die Mütter. Ich freue mich das ich zu dem Fest eingeladen bin.
Und weil ich jetzt über 2 Wochen auf mein Päckchen gewartet habe, sich nichts bewegt hat und nicht abzusehen ist wann das Päckchen aus dem Zoll kommt, entschliesse ich mich darauf zu verzichten und weiter zu fahren. Mir ist die Einzimmer-WG auch ein bisschen zu eng, ich bin von morgens bis abends nie allein. Der Austausch mit Alfonso ist sehr persönlich, es ist schon erstaunlich wie wir uns kennengelernt haben in so kurzer Zeit. Wir verabschieden uns mit einer langen Umarmung. Auch der Abschied von Claudia und Jorge ist sehr herzlich, alle winken mir lange nach.
Von Gabriela habe ich ein paar Calendula-Samen mitbekommen die ich auf meiner Strecke in die Erde bringen soll, ein Andenken an ihren verstorbenen Mann. Und Jorge hat mir schnell noch ein paar Lavendelblüten gebracht. Gut ausgestattet mit Lebensmitteln fahre ich erstmal ein Stück auf der Ruta 40. In Tunuyán verbringe ich eine Nacht auf dem Campingplatz. Bis auf die Betreiber bin ich ganz allein.
Bis Pareditas bleibe ich auf der 40. Aber die Strecke ist langweilig, ich will Natur und Einsamkeit. 160km ohne Einkaufsmöglichkeit liegen vor mir. Die alte Ruta 40 wird anstrengend, das weiss ich schon nach den ersten paar hundert Metern. Nur langsam komme ich vorwärts. Waschbrett wechselt sich ab mit sandigen Passagen oder losen Steinen, holprigen Stellen, oder einfach alles auf einmal. Zusätzlich ist mein Rad mit 10 Litern Wasser bepackt. Aber schon das erste Stück der Strecke ist wunderschön. Ich will eigentlich bis 5 Uhr radeln, eine lauschige Stelle am Bach sticht mir in's Auge und ich entscheide mich eine Stunde früher mein Zelt aufzustellen. Eine gute Entscheidung, wie sich am nächsten Tag herausstellt. Direkt am Bach, windgeschützt von einem Baum, geniesse ich den Sonnenuntergang über den 5000ern. Ein kurzer Dipp in den eiskalten Bach ersetzt die Dusche, das Glucksen des Wassers ist mein Schlaflied.
Am nächsten Morgen um 7 Uhr fährt das einzige Auto vorbei was mir diesen Tag begegnen wird. Heute ist es bedeckt, und der von Nord-Ost angesagte Wind weht mir von Süd-Ost entgegen. Ich kämpfe ziemlich und komme nicht schneller voran als 10km/h im Schnitt. Ein paar Regentropfen verirren sich zu mir. Die Ausblicke sind die Mühe wert, die schneebedeckten 5000er im Westen nahe. Auch heute komme ich nicht so weit wie ich eigentlich wollte, ein weiterer windgeschützter Platz am Bach überredet mich zum Bleiben. Meine Wasservorräte neigen sich, also kommt der Wasserfilter mit Wasser aus dem Bach zum Einsatz. Nach langer Zeit ohne Gebrauch ist er eingetrocknet, nur langsam tröpfelt das Wasser durch. Ich geniesse die Stille, sehe der Sonne beim Untergehen zu. Sofort ist es kalt, der warme Tee tut gut, und früh lockt der Schlafsack.
Gut ausgeruht geht es am nächsten Tag weiter, gleich als erstes muss ich den Bach durchqueren. Leider geht das nicht ohne einen nassen Fuss. Wie gut das heute wieder die Sonne warm vom Himmel scheint. Die Ebene auf ca. 1500m Höhe wird immer wieder von Flusstälern unterbrochen die sich in die Landschaft einschneiden. Hier findet sich auch die ein oder andere Siedlung, aber bis ich in La Jaula am Rio Diamante ankomme begegne ich keinem einzigen Menschen. Hier läuft mir Sebastian über den Weg. Ich frage ihn nach Wasser und Klopapier. Beim Bezahlen lädt er mich auf einen Mate ein. La Jaula war ein bewohnter Ort bevor die neue Strasse gebaut wurde, jetzt ist Sebastian der einzige ständige Bewohner dort. Er ist 27 Jahre alt und erzählt ein bisschen traurig das er keine Frau findet die mit ihm hier in der Einsamkeit das Leben teilen will. Die Schule im Ort ist für alle Kinder die verstreut in der Gegend wohnen und immer nur zeitweise belebt. Dann sind hier 20 Kinder mit 4 Lehrern die den Ort bevölkern. Die anderen Zeiten ist Sebastian allein mit seinen Schafen und Hunden.
Ich verabschiede mich von Sebastian und überquere den Fluss. Ab jetzt geht es erstmal wieder ein ganzes Stück bergauf. Ein Truck überholt mich, auch dieser holpert langsam vor sich hin. Der Wind hat aufgefrischt, kommt als ständige steife Brise von hinten. Eine lange ebene Steppe folgt, kein Baum der Windschatten spenden könnte. Es wird langsam Zeit einen Schlafplatz zu finden. An einer einigermassen gleichmässig flachen Stelle schlage ich mein Zelt auf. Der Boden ist sandig, da halten meine kurzen Zeltnägel nicht ordentlich. Steine zum Beschweren gibt es nicht, also improvisiere ich mit Satteltasche, doppeltem Abspannen und dem Busch als Haltepunkt. Im Wind koche ich mir eine schnelle Nudel, zwischen den Zähnen knirscht der Sand der sich in den Kochtopf verirrt hat. Auch im Zeltinneren ist es sandig. Bis 3 Uhr morgens rüttelt und rupft der Wind am Zelt, aber meine improvisierte Abspannung hält.
Guten Morgen! Nur noch 32km bis El Sosneado, und der Wind weht von Norden.
Noch ein Flusstal muss ich durchqueren, vorbei geht es an einer ehemaligen Mine und einigen Förderpumpen. Ein Pick-Up überholt mich und der Fahrer fragt ob ich mitfahren will. Dankend verneine ich, was ich auf den steinigen holprigen letzten 10km der Strecke schon fast bereue. Es ist verdammt mühsam mit meinem schwer beladenen Rad, und der spannende Teil der Strecke liegt auch hinter mir.
Aber endlich kommt der Ort in Sicht. Ich halte an der Tankstelle, zische erstmal eine kalte Limonade und nutze den Handy-Empfang der mir eigentlich die letzten 3 Tage nicht gefehlt hat. Im Ort miete ich mich in ein Appartment und dusche ausgiebig, wasche die verschwitzten dreckigen Klamotten aus und gehe ein Sandwich essen.
Am nächsten Tag lasse ich mich auf der 40 vom zeitweisen Rückenwind in Windeseile nach Malargüe pusten. Überall am Wegesrand wächst wilder Rucola, ich decke mich zum Abendessen ein. In einem Appartment eingemietet mache ich einen Pausentag. Es gibt eine Waschmaschine und eine kleine Küche und die Stadt ist schön grün. Morgen, am 22. Oktober, ist Wahl in Argentinien. Mal sehen was das wird. Prognosen nach wird sich das Geld nochmal deutlich entwerten im Anschluss an die Wahl.
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