Samstag, 24. Juni 2023

einsame Strasse

Von Huancayo fahre ich Richtung Izcuchaca weiter. Mir kommen 2 Radreisende entgegen, auf dem Weg von Argentinien nach Kolumbien. Das Paar aus Belgien ist mit E-Bikes unterwegs, und um die Akkus zu laden ziehen sie je einen Anhänger mit Solarpaneel hinter sich her. Wir unterhalten uns ein bisschen und ziehen dann in entgengesetzte Richtungen weiter. Ich komme an eine Mautstelle. Vor der Mautstelle biegt eine kleinere Strasse ab, an der ein Mann eine Schnur über die Strasse gespannt hat. Die Schnur wird gelupft wenn die Fahrer bezahlt haben. 2 Soles (ca. €0,50) bezahlen die Fahrer, dafür fahren sie etwa 2km auf holpriger Strasse. Die eigentliche Maut kostet 7,50 Soles für PKW's. Fast alle Autos fahren über die kleinere Strasse die hinter der Mautstelle wieder auf die große Strasse mündet und entgehen so der teureren Maut. 



Nach einer Steigung und Abfahrt komme ich wieder an den Rio Mantaro der mich seit ein paar Tagen schon begleitet. Im Tal sind einige verlassene verfallene Siedlungen. Flussabwärts lande ich in Izcuchaca. 





Zur Nacht finde ich eine private Unterkunft. Und leider bin ich am nächsten Morgen schon wieder krank mit einer Erkältung und leichtem Fieber. 3 Tage bleibe ich bei Benito und Luisa. An Tag 1 schlafe ich fast nur. An Tag 2 schlafe ich auch noch viel, lese, repariere meinen langsam immer morscher werdenden Seidenschlafsack (eins meiner Unterhemden dient als Flicken) und gehe mittags in den Comedor der katholischen Kirche in dem auch die Schulkinder essen. Hier kocht Maria, die Nonne, mit 2 Helferinnen. Mein Erscheinen weckt das Interesse des Pfarrers der ursprünglich aus Polen kommt. Gegen Abend holt mich Maria aus der Unterkunft und bringt mich zu Pfarrer Henryk der mich zu Tee und Kuchen einlädt und über meine Reise ausfragt. Paola wohnt vorübergehend in der Pfarrei (das stattlichste Haus im Ort) und weil sie sich gerade für ein Freiwilligenjahr  in Deutschland bewirbt korrigiere ich ihr Bewerbungsschreiben. Wir unterhalten uns noch lange. Tag 3 bringt Benito sein Fahrrad aus der Garage und ich versuche es zu reparieren. Garnicht so einfach: billige Komponenten und der Mangel an Ersatzteilen zwingt zu Kompromissen. Erstmal die fehlenden Felgenbänder aufziehen. Die Bremssättel der V-Brake haben ausgerissene Kunststoff-Schraubenfutter, da lässt sich nix reparieren. Aber immerhin kann ich aus der hinteren Bremse ein paar Teile in die vordere Bremse setzen und so hat das Rad wenigstens eine Vorderrrad-Bremse. Naja, und die Schaltung kriege ich auch einigermassen hin. Ich freue mich das ich Benito ein bisschen "zurückzahlen" kann. Während Luisa 2 Autostunden entfernt in einer Schule arbeitet und nur am Wochenende nach hause kommt bekocht er mich und sorgt dafür das ich immer Vitamine aus dem Garten und warmen Tee habe. Er freut sich allerdings auch das er beim Essen Gesellschaft hat. Am Nachmittag gehe ich auf den Markt und lasse einen Schuster meine in Guatemala hundezerkauten Schuhe reparieren. An der Bank stehen die Menschen Schlange, mobiles Haare schneiden am Marktstand.









Am nächsten Morgen will ich weiter und Benito macht mir ein reichliches Frühstück zum Abschied: es gibt von ihm gefangene Forelle fritiert mit Kartoffeln und Tomaten. Ausserdem steckt er mir 2 Avocados und ganz viel Obst in die Tasche. Der Abschied fällt sehr herzlich aus. Und weil ich noch ein bisschen schwach bin entscheide ich mich am Fluss entlang weiter zu fahren und nicht über den Berg. Eine gute Entscheidung: die Strasse ist wenig befahren und landschaftlich beeindruckend. Die Trockenheit ist wohl aussergewöhnlich für diese Jahreszeit und der Fluss hat nur wenig Wasser. Für mich erstaunlich ist immer wieder, das dieser Fluss in den Atlantik fliesst wo doch der Pazifik so viel näher ist! An vielen Stellen sind Erdrutsche und machen die Strasse zur holprigen Piste oder einspurig. Ich treffe auf eine Gruppe Männer die Bienenstöcke zu einem LKW tragen. Bei der Weiterfahrt überholen sie mich, um ein Stück weiter noch mehr Bienenvölker zum Auto zu tragen. Sie rufen mir zu und laden mich zu einem Schluck Inca-Kola ein, ein gelbes Getränk was im Zuckergehalt dem braunen Getränk in nichts nachsteht. Sie erzählen das sie die Bienen in die Selva bringen weil hier in der Sierra nicht mehr genug Blumen blühen. 80 Völker werden umgezogen in einer ca. 12-stündigen Autofahrt. 











In Anco bleibe ich zur Nacht. Zum Einkaufen betrete ich einen kleinen Laden mit zwei anwesenden Frauen, einem Kind und einem Mann und werde nach meinem Gruß (wie so oft für ein Mann gehalten) mit "buenas tardes Papi" begrüßt. Ich antworte "no, Mami" und die Anwesenden lachen sich schlapp. Ich sage ihnen das sie nicht die ersten sind die mich für einen Mann halten und wir lachen zusammen. Die Ladenbesitzerin sagt das die Verwechslung daher kommt weil ich keine "Chichi" habe. Auf meine Frage was das ist wackelt sie mit ihren Brüsten. Ich antworte das ich wohl "Chichi" habe und garnicht mehr davon will und wir wackeln alle mit den Brüsten begleitet von viel Lachen. "Chichi" ist also mein erstes gelerntes Wort in Quechua. Ich werde zu einer Mazamorra eingeladen, eine Grütze die hier aus Gemüse oder Obst zubereitet wird, heute aus Kürbis. Ich sitze eine ganze Weile mit im Laden und irgendwann verabschieden sich die Nichte der Besitzerin mit Kind und ich. Am nächsten Morgen gehe ich mein Wasser dort einkaufen und werde mit einem Stück Kuchen beschenkt. Zum Abschied wackeln wir wieder mit den Brüsten. Die Anrede "Mami" oder "Papi" ist hier übrigens sehr üblich und ist liebevoll gemeint.  Weiter geht's, am Fluss entlang. Ich bin inzwischen auf 2200m und die Landschaft wird immer trockener. Kurz vor Huanta verlasse ich den Rio Mantaro und fahre wieder bergauf auf 2800m. 









In den nächsten Tagen kommen wieder einige Steigungen auf mich zu. Und leider auch wieder eine Busfahrt, die Erkältung hat mich zeitlich zurück geworfen und ich schaffe es nicht bis Cusco in einer Woche.


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